Donnerstag, 18. November 2010

Eventmanagement Kiwi-Style

Eine meiner (liebsten) Aufgaben im Job war immer das Konzipieren und Organisieren von Events. Von der Jubilarfeier bis zum Kundenincentive anlässlich des WM-Finales in Berlin war so ziemlich alles dabei. Selten genug gab es daher Gelegenheit, selber in den Genuss eines Events zu kommen. Jetzt war es aber mal wieder so weit! Kein geringeres Event als die erste Klassenfahrt von Niklas stand an. Da Niklas alleine (noch) nicht mitgefahren wäre, hatte ich ihm versprochen, mit zu kommen. Te Mata School all the way to busy Auckland! Und weil wir in Neuseeland sind und hier nichts ist wie gewohnt, wird auch aus einer Klassenfahrt ein richtiges Event gemacht!


Insgesamt rund 50 Kinder und 15 Erwachsene - 2 Lehrer und 13 Eltern - machten sich am Dienstag also auf den Weg in Neuseelands größte Stadt. Wohlgemerkt nicht im Bus, sondern als Fahrgemeinschaften in den Privatwagen der mitfahrenden Eltern. Diese wurden vor Abfahrt von Pam, der Schuldirektorin, persönlich gechecked: TÜV ok, Reifen nicht abgefahren und - ganz wichtig - überall 3-Punkt-Gurte. Wie bei jedem gut gemachten Event gab es ein Booklet für alle Verantwortlichen. Detailierter Programmablauf, Namen und Telefonnummern aller Mitfahrenden, Karten sämtlicher Fahrtabschnitte, Speisepläne, Detailinformationen zu jedem anstehenden Programmpunkt. Wie gesagt, perfekt! Mir als einem der Verantwortlichen wurden neben Niklas zwei Jungs aus seiner Klasse, Deken und Kane, zugeteilt. Allesamt wunderbar erkennbar an den Namensschildern (mit Lost-&-Found-Infos).

Erstes Ziel war der Aucklander Zoo. Kostenloser Parkplatz direkt vor dem Eingang, dann gemeinsames Picknick unter den Palmen am Giraffengehege. Alles irgendwie viel disziplinierter und entspannter als ich mir das vorgestellt hatte. Neuseeländische Kinder sind gewohnt, sich respektvoll zu benehmen. So wurde auch Niklas alles sehr geduldig erklärt: "In English this is called Ä LEI-EN"... Das Tolle ist, dass die Mitschüler auch immer daran interessiert sind, die deutsche Übersetzung zu lernen. Running Gag derzeit in der Klasse ist das (deutsche) Wort "Zuckerpüppchen". Keine Ahnung, woher Niklas das hat. :-)

Der Aucklander Zoo ist eine tolle, subtropische Anlage. Ich hätte noch Stunden mit "meinen" 3 Jungs verbringen können. Aber, es stand auch hier ein wenig Unterricht auf dem Programm. Eine Zoo-Pädagogin hat sich mit den Kindern intensiv über das Thema "Artgerechte Tierhaltung" unterhalten (man kann fast sagen "diskutiert"). Hintergrund dieses Themas: ab kommender Woche soll jedes Kind in der Schule das Modell eines modernen Tier-Geheges bauen. Die Kinder können sich ein Tier aussuchen und überlegen, wie das Gelände dafür aussehen soll; Materialien, Ausstattung, Nachbarn usw. festlegen. Dabei werden alle pädagogischen Aspekte ganz unterschiedlich angesprochen: Bio, Kunst, Mathe (schließlich ist auch der Faktor "Kosten" beim Bau eines Geheges zu berücksichtigen) und natürlich alle möglichen Soft-Skills wie Kreativität, Entscheidungsfindung, Teamwork usw. Großartig, wie hier Grundlagen vernetzten Denkens geschaffen werden! Events können mitunter sehr lehrreich sein!

Leider sind Nachmittage in Neuseeland genauso kurz wie in Deutschland. Um kurz nach 4 ging es daher schon weiter nach Mission Bay. Das ist ein maritimer Vorort von Auckland, ein bisschen trendy, aber sehr relaxt. Ein Ort, wo man gerne Urlaub machen würde. Auch hier wieder: perfekter, kostenloser Parkplatz direkt am Strand. Zwischen Meer und Promenade liegt ein wunderschöner Park mit viel Rasen, Springbrunnen und - ganz wichtig - einem tollen Spielplatz. Der perfekte Ort für ein abendliches Picknick mit einer Horde Kinder! Als einer von nur 2 Männern werde ich abgeordnet, das Abendessen zu holen: Chips &Sausages von einem der Restaurants an der Promenade. Kiwi-Kids müssen verdammt hungrige Kinder sein: wir schleppen Massen von Fritten und Würstchen am Stiel (Niklas hat sich kaputt gelacht) an. Wirklich ein bisschen wie Urlaub. Kein schlechtes Gefühl auf einem Event.


Der Höhepunkt des Tages sollte noch kommen: Kelly Tarlton's Underwater World! Ein riesiges Aquarium direkt am Aucklander Hafen. Hier war ich schon auf meinem ersten Neuseeland-Trip vor fast 20 Jahren. Komisches Gefühl, jetzt mit meinem Sohn hierhin zurück zu kommen. Noch komischeres Gefühl allerdings die Vorstellung, jetzt hier zu schlafen! Genau, der Höhepunkt dieses Events ist die Übernachtung unter Haien, Stachelrochen und sonstigem Seafood (ich geb's zu, ich war noch hungrig). Das Besondere an Kelly Tarlton ist die Glasröhre mitten durch das Meerwasser-Aquarium. Und genau in dieser Röhre sollte übernachtet werden. Events sollten halt immer etwas Besonderes bieten.


Leider war die Röhre binnen Sekunden voll mit Schlafsäcken, Iso-Matten und qualmenden Socken. Niklas, Deken und Kane (letzterer etwas Zähne knirschend) hatten schließlich Erbarmen mit mir und stimmten zu, auf den Duft von Socken unter kreisenden Haien (gab es da mal einen Film, der so hieß?) zu verzichten. Wir haben uns stattdessen ein schönes Plätzchen neben den Aalen gesucht, von wo aus man die Haie wenigstens aus der Ferne sehen konnte. Fast 20 Jahre war ich nicht mehr hier und jetzt lag ich mit meinem Sohn auf der Iso-Matte neben neuseeländischen Aalen. Mindestens ebenso lange habe ich vermutlich auch nicht mehr auf einer Iso-Matte geschlafen. Binnen Kürze konnte ich jeden Knochen einzeln spüren. Gute Events sollten halt immer auch eine (körperliche) Herausforderung sein. Was für den Einen der Hochseilpark, ist für den Anderen eben die Iso-Matte an Aal...


Die Nacht war natürlich kurz zwischen aufgeregten Kindern, dem hektischen Schein der vielen Taschenlampen und dem Dröhnen unzähliger Pumpen. Egal, Niklas war super happy. Am nächsten Morgen gab es am Stachelrochen-Becken (die die Kids abends noch füttern durften) ein typisches Kiwi-Frühstück: Toast-Brot, das Zeug, das man in der Werbung Cerealien nennt (meine Kenntnisse hören bei Corn Flakes auf), Marmelade und natürlich Marmite (salziger Aufstrich auf Hefe-Basis - in Deutschland kenne ich nur einen Menschen, der so etwas isst). In weiser Voraussicht hatte ich vorher Brötchen gebacken - natürlich aus selbst gemahlenem Bio-Mehl (ist ja alles wieder da!). Ganz wichtiger Punkt bei Events: für alles gewappnet sein!
Unser Lager zwischen Aal und Treppe

Letzter Programmpunkt war schließlich der Besuch des Auckland Museum. Ein gewaltiger Bau im neo-antiken Stil, gelegen inmitten eines riesigen Parks. Der Blick über Auckland, den Hafen und die Inseln ist überwältigend. Auckland ist eine großartige Stadt! Auch im Museum war ich auf meiner ersten Reise 1991 bereits gewesen. Entsprechend war ich ein wenig skeptisch, dort mit 3 Kindern durchzulaufen. In meiner Erinnerung war es dort etwas altbacken. Schön zu sehen, dass sich manche Dinge spektakulär ändern können. Das Museum ist schlicht toll. Überbordend mit viel Phantasie und Liebe zum Detail gestaltet. Die Kids waren sofort begeistert. Für mich eine Herausforderung, die Energie von 3 Jungs halbwegs zu bündeln und mit ihnen den Fragebogen zu bearbeiten, der das Thema "Artgerechte Haltung von Tieren" wieder unter ganz anderen Aspekten beleuchten sollte. Pädagogisch, aber spannend. Entsprechend erschöpft trafen wir uns mit dem Rest der Truppe unter den Bäumen vor dem Museum zum abschließen Picknick. Permanentes Essen (oder zumindest das Gefühl, dies zu tun) war schon das Markenzeichen früherer Events.


Und auch das gehört zu einem perfekten Event: der Punkt, an dem man sich wieder auf Zuhause freut. Der kam bei mir, nachdem ich im Straßengewirr dieser Millionenstadt den richtigen Motorway gefunden hatte, der Tank des Autos wieder aufgefüllt war und ich meine Jungs glücklich und zufrieden mit einem letzten Eis "ruhig gestellt" hatte. Dazu lief eine CD von BAP (was auf meine Kiwi-Kids ungefähr so eigentümlich geklungen haben muss wie für uns die Maori-Gesänge, die Niklas gerade in der Schule lernt). Pünktlich zum Schulende um 3 Uhr nachmittags waren wir wieder an der Te Mata School, erschöpft, müde, jeden Knochen spürend - aber völlig begeistert von einer ganz besonderen Erfahrung.

Und - by the way - das war nicht das Werk eines professionellen Event-Managers, sondern das Ergebnis von einer schier unglaublichen Leidenschaft für den Beruf. Für den des Lehrers. Denn alles was diese beiden Tage so großartig organisiert war, hat das kleine Lehrer(innen)-Team der Te Mata School (größtenteils in der Freizeit) selber auf die Beine gestellt. Vor so einer Einstellung kann man nur den Hut ziehen! Und für die Kinder sind diese Lehrer tolle Vorbilder an Engagement, Freude und - nicht zuletzt - für die Fähigkeit Dinge zu managen!

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