Donnerstag, 16. Juni 2011

Prozesssicher

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Eines unserer derzeit am häufigst verwendeten Worte heißt "prozesssicher". Das Gegenteil davon - prozessunsicher? - ist eine wunderbare Beschreibung dessen, wie viele Dinge in Neuseeland funktionieren (oder eben nicht). Man muss hier immer damit rechnen, dass etwas, das gestern noch toll geklappt hat, heute komplett daneben gehen kann. Der Kaffee an unserer heiß geliebten "Kaffeebud" ist an guten Tagen absolute Weltklasse (wunderbar exotisch-aromatisch, heiß, aber kein Gaumenflämmer, mit einem Milchschaum zum Darniederknien, getoppt von einem in die Milch "gemalten" Silberfarn). An anderen Tagen möchte man ihn dagegen am liebsten wegkippen oder im Sondermüll entsorgen (was hier nicht selten im nächsten Wald passiert). Und ich vergleiche keine Äpfel mit Birnen (oder besser: Arabica mit Muckefuck), der Kaffee wurde selbstredend von der gleichen Person zubereitet. Es verwundert dann auch nicht, dass er jedes Mal auch unterschiedlich viel kostet - unabhängig von der Qualität versteht sich.

Ein guter Tag!
Dieses Phänomen zieht sich tatsächlich durch alle Lebensbereiche. Da fällt es schwer, z.B. ein Lieblingsrestaurant zu finden. An die irgendwann anstehende Auswahl eines Zahnarztes möchte ich gar nicht denken. Heute so und morgen so. Der gesamte Dienstleistungssektor (inklusive Handwerk versteht sich, aber darin unterscheidet es sich ja nicht sonderlich von Deutschland) ist in Neuseeland nach allen möglichen, auch durchaus vertrauten Kriterien organisiert, Prozesssicherheit gehört nicht dazu. Und die Kiwis scheint es nicht zu stören, dass Qualität ständigen Schwankungen unterliegt. Das scheint offenbar Teil der Sozialisation zu sein. Vermutlich ist auch die wenig prozesssicher. Fragt man einen Neuseeländer, wo er denn herkommt, kriegt man selten eine solche Antwort: "Aus Motupipi!" (den Ort gibt's wirklich, liegt - sehr zur Freude unserer Jungs - ganz in der Nähe von Takaka) Neuseeländischer Lokalpatriotismus sieht eher so aus: "Geboren in Matakana, bin aber in Titirangi in den Kindergarten gegangen, aber auch nur bis kurz vor Schulbeginn, dann ging's nämlich nach Timaru [die Stationen Oamaru, Wanaka, Hastings und Tauranga lass ich jetzt aus], aber heute lebe ich in Cambridge." An dieser Stelle einen schönen Gruß an alle Kölner, für die schon Flittard und Godorf das Ende der lebenswerten Welt darstellen.

Ist Prozesssicherheit also ein USP, mit dem man in Neuseeland erfolgreich sein kann. Merken "verunsicherte" Kiwis überhaupt einen Unterschied? Das sind derzeit nicht unwichtige Fragen, mit denen wir uns beim Aufbau unseres Business beschäftigen. Unsere Fensterproduktion soll nämlich in erster Linie eins sein: verlässlich und gleichbleibend in der (hervorragenden) Qualität dessen, was hinten raus kommt. Ob das der offenbar anders sozialisierte Neuseeländer dann auch honoriert? Wir werden sehen, sind aber - prozesssicher - optimistisch...

P.S.: Dass wir uns schon ein wenig an diese Eigenart der neuseeländischen Kultur angepasst haben, sieht man - leider - daran, dass wir alles andere als prozesssicher in der Einstellung von Blogbeiträgen geworden sind. Unfassbar, der letzte Eintrag ist fast einen Monat her. We are really sorry 'bout that!!! ;-)